Sonntag, 23. September 2007

Zweit Tage auf dem Koya-san... Mal ein bissl Kultur

Wir haben immer noch Zeit, bis die Uni losgeht, und durch die nur schleichend stattfindende Umstellung auf den Yen noch kein Gefühl dafür, wieviel Geld wir schon verprasst haben. Ein Jahr im Ausland, Zeit und Geld- die perfekte Voraussetzung für Reisen...
Florian, der gerade drei Wochen in Japan verbringt und Zwischenstopp bei Nicolo eingelegt hat, plante eine Reise zum Koya-san, an die ich mich mal spontan drangehängt habe.
Kultureller Hintegrund interessiert ja die wenigsten (obwohl in diesem Falle nicht nur Japanwissenschaftler begeistert sein sollten), also habe ich hier- damit die anderen nicht genervt Zeilen überspringen müssen- für die Interessierten den Link zum Wikipedia-Artikel über den Koya-san:
http://de.wikipedia.org/wiki/Kōya-san

Die Kurzfassung für Kulturignoranten: Der Koyasan ist ein Berg, der ca. 1000 Meter über dem Meeresgrund liegt, Er besteht aus 8 Hügeln, die eine Senke einfassen, in der viele verschiedene Tempel stehen. Im 9. Jahrhundert hat hier der Mönch Kukai (nach seinem Tod Kobo Daishi genannt) das Hauptquartier der Shingon-Sekte errichtet, die heute eine der Hauptströmungen des Buddhismus in Japan ist. Sein Grab steht ebenfalls hier, inmitten eines uralten Waldes, der gleichzeitig der wichtigste Friedhof Japans ist.

Nach einer dreieinhalbstündigen Fahrt in Zuckelzügen durch Nara und Wakayama, kamen wir an der Talstation der Seilbahn, die auf den Koyasan fährt, an.

Trotz der suspekten Erscheinung der Bahn- sie wird von einer Art überdimensionalem öligen Gummiband SEHR steil nach oben gezogen- überwand ich meine Höhenangst und bestieg dieses Ding, das uns in zehn Minuten ein paar hundert Meter den Berg hinauf brachte.
















Oben angekommen war es erst einmal angenehme fünf Grad kühler als im Tal. Mal eine schöne Abwechslung zu den üblichen 35 Grad (JA! 35 Grad!! Hahahaha, wieviel habt ihr gerade in Deutschland??).
Am Infopoint am Bahnhof konnten wir direkt eine Übernachtung in einem kleinen Kloster buchen. Der junge Herr im Infokabäuschen sah aus wie ein verschrecktes Reh und hat sich so mit Englisch abgerackert (wir haben natürlich Japanisch gesprochen), dass ich mich fragte, ob sich hier wohl niemals Ausländer hochverirren. (Das sollte sich aber als Irrtum herausstellen, auch wenn hier nicht sooo viele Ausländer wie in Nara waren).
Die Übernachtung im Kloster war sehr angenehm, ich habe dort zum ersten Mal ein japanisches Bad benutzt. In Japan wird das Bad nicht zur Reinigung gebraucht, sondern man schrubbt sich, bevor man das Bad besteigt, gründlich sauber. Das heiße Wasser dient der Entspannung, nicht der Reinigung. Außerdem benutzen viele Leute das gleiche Badewasser, in meinem Fall die beiden anderen weiblichen Wesen, die im Kloster übernachteten. Da sollte man natürlich hygienisch rein die Wanne betreten.
Sehr entspannt und im Yukata haben wir dann noch im Zimmer gesessen. Es war natürlich in japanischem Stil, mit Tatamimatten und dicken Futons, die tagsüber im Schrank verstaut sind und abends zum Schalfen ausgebreitet werden.

Die Ruhezeit um 22.00 Uhr konnten wir aber leider nicht einhalten, obwohl wir am nächsten morgen um 6.30 (in Worten: Sechs Uhr dreißig... Kurze Pause, um den Schock zu verdauen... Ja, ich war wirklich wach um diese Zeit..) am Morgengebet der beiden Mönche teilgenommen haben.













Natürlich gab es im Kloster auch shojin-ryori, die traditionelle Küche der Mönche. Sie ist komplett vegetarisch, da man als Buddhist ja keine Tiere töten darf. Außerdem enthält sie kein Knoblauch und keine Zwiebeln, weil man mit Mundgeruch nicht ins Nirvana kommt oder so.
Das Essen war jedenfalls ausgezeichnet, mit einer so leckeren Gemüsebrühe, wie ich selten gegessen habe (Sorry, Mama, aber gegen jahrhundertelange Vegetariertradition kann man kaum ankommen...).
Nach dem Frühstück haben wir uns doch nochmal kurz hingelegt (meditieren ist ja auch anstrengend...) und sind um 10 Uhr morgens aus dem Tempel aufgebrochen, um den Koya-san zu erkunden.

An der Gruft der Familie Tokugawa muss man traditionell einen Kiesel auf das Torii ablegen, das den heiligen vom weltlichen Bereich abtrennt. Ich habe es leider nicht geschafft, hoffentlich ist mir das Glück trotzdem hold.










Danach ging es weiter zum Kongobu-Tempel, der Haupttempel der Shingon-Schule (na, aufgepasst? Sonst nochmal oben nachlesen!).
Der Tempel war sehr schön und sehr japanisch. Er hatte auch einen Steingarten, der mich sehr beeindruckt hat.



Im Tempel selbst wurde nocheinmal die Geschichte von Kobo Daishi erzählt, wie er den Shingon-Buddhismus nach seinem Studium in China nach japan brachte. Tee gabs auch und ein süßes Plätzchen, da haben sich die 500 Yen Eintritt wirklich gelohnt...












Von dieser Sehenswürdigkeit ging es direkt zur nächsten. Auf dem Weg kamen wir an einem See vorbei, der Karpfen beinhaltete, die wohl bei den Hirschen in Nara in Lehre waren. Jedenfalls hatten sie ein für Fische recht ausgeprägts Gespür dafür, dass Touristen gerne Tiere füttern. Den schnappenden Karpfen konnten man aber leichter widerstehen als den Hirschen mit ihrem Wimperklimper-Bamiblick...













Sehr beeidruckend war auch die riesige rote Konpondaito-Pagode, deren Inneres man nicht fotografieren durfte. Sie beinhaltet goldene Buddhastatuen und war für esoterische Praktiken vorgesehen.
Auch sehr schön war der Weg zum Okunoin, dem Allerheiligsten des Koya-san. Es ist der Tempel, in den angeblich Kobo Daishi begraben ist. Man darf ihn nicht fotografieren und man gelangt auf einem uralten Weg durch einen Wald zu ihm, der gleichzeigit auch ein friedhof ist. Die Atmosphäre in diesem Wald ist wie verzaubert, sieht man mal von den Massen an Mücken ab, die sich an den Besuchern des Waldes gütlich tun. Vielleicht sind sie eine Art Beschützer des Tempels, oder eine göttliche Prüfung... Jedenfalls sehr nervig! Aber der Wald ist wie gesagt wunderschön...
















Auf dem Weg vom Okunoin zur Bushaltestelle kamen wir erneut durch einen Friedhof, der allerdings neuer und nicht direkt im Wald gelegen war. Hier sind uns noch ein paar Kuriositäten begegnet, wie das Grab, das wohl einem wichtigen Vorstand einer Kaffefirma zugedacht ist. Logischerweise ist sein Grabstein eine Kaffeetasse. Sehr erhebend.
Auch interessant war das Grab, auf dem eine riesige Rakete stand...
Ob derjenige, dem das Grab zugedacht ist, ein berühmter Astronaut war oder einfach nur sehr reich und raketenbegeistert, oder ob seine Verwandten eine besondere Art des Humors haben, lässt sich leider nicht sagen...

Keine Kommentare: