Im August stand noch ein besonderes Schmankerl bevor: Der Leiter des Ikebana-Clubs hatte Beziehungen zum National Bunrakutheater in Osaka und lud uns ein, einen Ausflug dorthin zu machen.
Bunraku ist traditionelles Puppentheater, allerdings nicht für Kinder. Die Stücke ähneln dem des Kabuki, werden aber nicht von Schauspielern dargestellt, sondern von ungefähr einem Meter hohen Puppen, die von mehreren Spielern bewegt werden. Die Spieler selbst reden nicht, das übernimmt ein Sprecher, der zusammen mit einem Shamisen-Spieler vor einer goldenen Wand an der Seite der Bühne sitzt. Der Sprecher übernimmt alle Rollen des Stücks, also auch die der weiblichen Darsteller. Weil so ein Sütck mehrere Stunden gehen kann, ist die Plattform, auf der beide sitzen, drehbar, sodass zwischendurch die Bühne einfach gedreht wird, und ein zweiter Sprecher bzw. ein zweiter Shamisen-Spieler, die hinter der goldenen Wand warten, auf die Bühne gedreht werden udn so die ersten beiden ablösen.
Die eigentliche Bühne ist viel größer, damit die Spieler sich darauf bewegen können. Meist sind es drei Spieler, die eine der Puppen bewegen, wobei es einen Hauptspieler gibt, der den Kopf und den rechten Arm bewegt, einen für den linken Arm und einen für die Füße. Die Hierarchie ist dabei klar, der älteste und erfahrenste Spieler übernimmt den Kopf und muss nicht die ganze Zeit unter einer schwarzen Kapuze und schwarzer Kleidung verdeckt sein. Die anderen beiden sind aber natürlich keine Azubis, sondern ebenfalls erfahrene Spieler, nur eben nicht so weit oben in der Hierarchie. Während des Spiels soll man die Puppen sehen, nicht die Spieler, daher sind sie komplett verhüllt, so ähnlich wie beim Schwarztheater.
Der Herr rechts ist so ein Spieler, er trägt die schwarze Kleidung, aber ohne Kapuze. Die Puppen sehen zwar nicht so aus, sind aber unheimlich schwer. Hut ab für die Spieler, die sie stundenlang auf der Bühne bewegen müssen, und das auch noch mit nur einem Arm, während man auch noch darauf achten muss, den anderen beiden nicht aus Versehen auf die Füße zu treten.
Jeder von uns durfte die Puppe auf den Arm nehmen udn sie bewegen. Die linke Hand steckt man unter das Gewand, der Kopf steckt auf einer Art Stiel mit einem kleinen Fingerzug, mit dem man die Augen oder den Mund der Puppe bewegen kann, je nachdem, welche Funktionen die Puppe hat und welche Rolle sie im Stück übernimmt.
Bei diesem Kopf zum Beispiel kann man mit dem Fingerzug die Augen nach innen drehen. Der Kopf gehört zu einem Bösewicht, der hier nicht schielt, sondern durch das Verdrehen der Augen alle Menschen im Publikum gleichzeitig böse anstarren soll.
Der ältere Herr auf diesem Bild steht ganz weit oben in der Hierarchie. In seiner Funktion als Bunraku-Spieler ist er sogar zum lebenden nationalen Schatz Japans erklärt worden, wurde uns erklärt.
Nach dieser schon sehr interessanten Begegnung durften wir hinter die Kulissen des Theaters. Ganz rechts im Bild befand sich der Vorhang zum Theatersaal, wir befanden uns also direkt auf der Bühne. Die Kulissen rechts waren aus dem aktuellen Programm des Theaters.
Auch interessant waren die Geta, die speziell für die Spieler hergestellt wurden, die die Köpfe bewegen. Sie müssen natürlich etwas erhöht auf der Bühne stehen als diejenigen Spieler die die restlichen Gliedmaßen bewegen. Die Geta waren teilweise 20 cm hoch. Habe ich schon erwähnt, dass es unglaublich anstrengend sein muss, so ein Stück vorzuführen...?
Alles in allem ein wirklich tolles Erlebnis, das mit zu den Highlights meines Japanaufenthaltes zählt.
Hat jetzt nichts direkt mit dem Thema zu tun, aber das muss ich einfach zeigen: In der Nähe des Theaters in Osaka gab es ein Santa-Clause-Love Hotel. Ich weiß nicht, ob ich schon über Love Hotels geschrieben habe, sie sind eine Art Rückzugsort für Pärchen, die mal ein bisschen ungestört sein wollen. Dabei sind sie aber keinesfalls so anrüchig wie hierzulande Stundenhotels nahe der Bahnhöfe größerer Städte... Trotzdem gibt es die komischsten themen für Love Hotels, etwa europäische Schlösschen oder Sado-Maso-Hello Kitty, alle noch irgendwie existenzberechtigt weil ganz drollig und unterhaltsam. Wer aber bei diesem Weihnachts-Alptraum scharf werden soll, ist mir ein echtes Rätsel...
Dienstag, 30. März 2010
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